Der erste Marathon. Von hochmotiviert bis völlig frustriert war alles dabei.
Gestern war es soweit: Ich bin zum ersten mal für die Laufdistanz über 42,2 Km an die Startlinie gegangen. Schon morgens um 08.30 Uhr hatte ich ein Deja-Vu: Es ist morgens schon sehr warm und die Vorhersage verspricht vieieiel Sonne und weiter hohe Temperaturen. Das kenne ich nur all zu gut aus dem Jahr 2019. Gleicher Ort. (Fast) gleiches Event.
Startschuss. Loslaufen. Ich fühle mich gut. Das Training ist super gelaufen und hat dazu noch sehr viel Spaß gemacht. Ich freue mich jetzt endlich die Früchte aus den vergangenen Wochen ernten zu dürfen.
Km 2:
Hä? Durst? So richtig Durst? Jetzt schon? Ich glaub ich werd bekloppt! Ja ich habe jetzt schon richtig Durst und ein trockenes Pappmaul.
Km 5:
Die erste Vepflegungsstation. Ich trinke drei Becher Wasser. Mit Gluckerbauch laufe ich weiter. Die Pace passt super. Es ist anstrengend aber ich habe den Pacemaker mit dem 4:15 Fähnchen noch im Blick.
Km 6:
Scheiß auf den Typ mit dem 4:15 Fähnchen. Ich habe Durst.
Km 7:
Warum habe ich Idiot eigentlich nicht direkt an der ersten Verpflegungsstaion meinen Trinkbeutel hinterlegt? Warum habe ich den nicht gleich am Start dabei gehabt? Notiz an mich selbst: Idiot!
Km 10:
Eigentlich läufts gut. Das hinterlegte Gel an Verpflegungsstation 3 war genau richtig. Pace passt. Weiter gehts. Ach kuck ma, da is der Typ mit dem 4:30 Fähnchen auf dem Rücken.
Km 15,65:
Scheiß auf den Typ mit dem 4:30 Fähnchen …
Km 21:
Ich schaue auf die Uhr, 2 Stunden und 30 Minuten. Ich bin durch. Fertig. Immerhin habe ich jetzt einen kleinen Trinkbeutel, den ich bei Verpflegungsstation 7 hinterlegt hatte, und kann den jetzt an jeder Station für unterwegs nachfüllen. Am Rand faltet eine Pacemakerin ihr 5:00 Fähnchen zusammen und packt es in ihren Rucksack. Seit geraumer Zeit laufe ich schon für mich ganz allein. Kaum andere Läufer sind um mich herum. Immerhin: Run with a View. Es geht mit wirklich schöner Aussicht am Rhein entlang.
Km 25:
Es geht über die Brücke der Solidarität. Ich bin im Arsch. Aber sowas von! Ich muss ein paar Meter gehen. Nützt ja nix. Aber die Aussicht ist immer noch schön. Und wann kann man schonmal mitten auf der Straße über die Brücke der Solidarität in Duisburg schlendern …
Km 26:
Ich denke ernsthaft daran aufzugeben. An Verpflegungsstation 9 fehlt mein hinterlegtes Gel. Ich bin wütend. Bis zu dieser Distanz konnte ich im Training auch in einer umfangreichen Trainingswoche locker laufen und hatte noch genug Energie. Und jetzt? Obwohl ich ausgeruht an den Start gegangen bin, habe ich nur noch Pudding in den Beinen. Es wäre mein erstes DNF. Was solls, wenns einfach nicht geht … ?Komm, versuchs einfach. Und ich trabe weiter …
Km 31:
Auch an dieser Verpflegungsstation wie auch an den weiteren ist meine hinterlegte Verpflegung nicht da. Mein Fanclub steht am Straßenrand. Die Liebste füllt mir Wasser in meinen Trinkbeutel und gießt den Rest aus ihrer Flasche über meinen Kopf. Ich murmele etwas wie „es gibt nichts bekloppteres als bei über 30 Grad nen Marathon zu laufen“, schnell noch ein Kuss und ich eiere weiter über den Asphalt.
Die letzten 10 Km:
Ich bin fertig. Bin aber auch zu ehrgeizig, um jetzt noch aufzugeben. Eine tolle Zielzeit habe ich längst verworfen. Ich schaue nur noch auf die Uhr, um auszurechnen wieviel ich pro Kilometer noch an Zeit habe, um vor Zielschluss anzukommen. Es ist echt elendig, meist gehend, manchmal trabend bewege ich mich langsam vorwärts. Alles motivierende Klatschen der Zuschauer am Rand nützt nichts. Ich hangele mich von Verpflegungsstation zu Verpflegungsstation, die Teilweise schon mit Aufräumen und Abbauen anfangen. Die Enttäuschung ist groß. Mir ist heiß, die Beine tun weh, ich habe keinen Bock mehr.
Irgendwann kommt das Stadion in Sicht. Ich stolpere die letzten Meter durchs Stadion ins Ziel. Mein Fanclub applaudiert. Meine Enttäuschung ist, obwohl ich es irgendwie ins Ziel geschafft habe, groß. Es fühlt sich in dem Moment an, als ob ich ein großes Stück Spaß am Sport verloren habe.
Als ich das Stadion verlasse, kommen die letzten Läufer ins Ziel. Immerhin war ich nicht der letzte.
Fazit am Tag danach:
Ich fühle mich tatsächlich gut. Trotz einer schlaflosen Nacht, weil ich ständig was trinken musste. Woran lag es nun gestern? Ich glaube das Training hat gepasst. Bis zur Hälfte ist es zumindest von der Pace und mal abgesehen von der Hitze doch relativ planmäßig gelaufen. Total falsche Taktik war die Verpflegung. Dass die Hälfte der Hinterlegten Gels nicht an den Stationen lag ist das eine. Aber eine Trinkflasche direkt vom Start an dabei zu haben wäre sinnvoll gewesen. Den Fehler mache ich kein zweites mal.
Im Grunde ging es mir darum einmal einen Marathon zu laufen bevor es an das Projekt Ironman geht. Ich wollte einfach einen Vorgeschmack davon bekommen wie sich das Sterben auf den letzten 42 Kilometern beim Ironman anfühlt. Den Eindruck habe ich bekommen.
Und den Spaß am Sport habe ich definitiv nicht verloren. Schon heute Nachmittag hatte ich wieder Spaß an der aktiven Regeneration auf dem Fahrrad. Also alles gut. Ein Blick auf die Ergebnisse zeigt: Ich war nicht der Letzte und sogar in meiner Altersklasse habe ich noch drei Leute hinter mir gelassen. Es gibt also noch Hoffnung.;-)
Ab sofort kann die Reise beginnen: Road to Ironman.