Eine Trainingsbillanz.
Die Zeit rast einfach nur. Arbeit, Training, Essen, Schlafen, Arbeit, Training, Essen, Schlafen, … Das war zu erwarten. Darauf war ich eingestellt. Unterschätzt habe ich es dennoch. Die letzten Monate waren eine emotionale Achterbahnfahrt zwischen „Wenn das Training so weiter funktioniert mache ich das Ding locker unter 10 Stunden!“ und „Ich gebe auf. Scheiß auf die Langdistanz!“
Ich bin mir nicht sicher ob ich vorher wirklich gewusst habe auf was ich mich da einlasse. Jetzt nachdem des Training quasi gelaufen ist und der Wettkampf vor der Tür steht, kann ich eines mit Gewissheit sagen: Das Training, das Körperliche, das ist kein Problem. Mit vernünftigem Training, mit System und einem guten Coach kannst Du rein körperlich alles schaffen. Du musst es nur wollen.
Nur ist das Training nicht alles. Ganz nebenbei muss man arbeiten und auch so profane Dinge wie Einkaufen und Haushalt erledigen. Das Leben neben dem Training hört ja nicht auf oder steht still für diese Zeit. Und DAS ist die eigentliche Herausforderung. Das ganze Ding organisatorisch auf die Reihe zu bekommen, die Zeit fürs Training freizuschaufeln. Das Pendeln zwischen drei Wohnsitzen gepaart mit regelmäßigen Dienstreisen tat sein übriges dazu. Und wenn Du überall ein Fahrrad, eine Rolle, Laufschuhe und das richtige Essen dabei haben möchtest, dann musst Du entweder ein Wohnmobil besitzen oder mit einem kleinen Fiesta, der durchgängig bis unters Dach mit Sportzeug gepackt ist, durch die Gegend fahren.
Am Anfang, wenn Du sagst, dass Du einen Ironman machst, sind viele schnell begeistert dabei und sagen „kein Ding, wenn wir uns eine gewisse Zeit dann mal weniger sehen“ oder im Job „klar unterstützen wir das, da lässt sich vieles regeln“ … wenn es dann aber zum Schwur kommt will da kaum einer noch etwas von wissen. Im Job springt niemand für Dich ein oder eine Dienstreise wird (obwohl definitiv möglich) nicht durch eine Videokonferenz ersetzt. Und man ist doch beleidigt wenn Du nicht zur Geburtstagsparty erscheinst oder eher geht, weil am nächsten frühen Morgen eine lange Trainingseinheit auf dem Plan steht. Am Ende sind es nur ganz, ganz wenige auf die Du zählen kannst.
Wenn ich ehrlich bin: Ich bin wirklich froh, dass das jetzt alles ein Ende hat. Ich habe viel Spaß am Training gehabt und ich freue mich auf den Ironman. Keine Frage. Aber ich bin auch froh schon bald nicht mehr wie ein Zigeuner durch die Gegend zu gondeln und einfach mal wieder Zeit für andere Dinge zu haben.
Die wesentliche Frage ist nun aber: Bin ich fit?
Schwimmen
Vergangenes Jahr habe ich mich mal bei einem Schwimmwettkampf mit 4 Km Freiwasser versucht. Das ging ganz gut. Danach hätte ich aber auch keinen Meter Rad mehr fahren können. Im Training ging es in den letzten Monaten viel darum locker eine lange Distanz zu schaffen. Den Ironman werde ich nicht durchs Schwimmen gewinnen. Mir geht es darum noch halbwegs entspannt und nicht so abgekämpft aus dem Wasser zu kommen. Ich denke das ist gut gelungen. Drei bis dreieinhalb Kilometer schwimme ich zumindest im Schwimmbad locker flockig und entspannt durch. Technisch und in der Ausdauer ist vieles besser geworden. Ich bin ein lebensälterer Flipper, der sich die Goldkörnchen fürs Ende aufbewahrt. Nicht mehr und nicht weniger. Es wir definitiv keine Jahresbestzeit, aber ein guter Auftakt ins Rennen.
Radfahren
Das ist ein sehr emotionales Thema. Für mich war von vorne herein klar, dass das Radfahren auf der Langdistanz zur Schlüsseldisziplin wird. Auf dem Rad verbringt man die meiste Zeit und mit Abstand die längste Strecke am Wettkampftag. Durch viel Pendelei und Dienstreisen hatte ich insbesondere zu Beginn des Trainings wenig Möglichkeiten diese Disziplin zu trainieren. Zum einen fährt es sich im Winter draußen sehr schlecht auf dem Rennrad. Zum anderen kann man nicht überall ein Rennrad samt Indoorrolle mit hin schleppen.
Nach reiflicher Überlegung habe ich mir den Traum von einem TT-Bike erfüllt, ohne zu wissen, auf was ich mich da einlasse. Eine bequeme Sitzposition zu finden war schwierig. Es ist ein gänzliche anderes Radfahren als ich es bisher kannte. Zudem bin ich auch körperlich nicht sonderlich beweglich, was das Einnehmen der aerodynamischen Position nicht sehr entgegenkommt. Diese Fahrräder haben zudem eine sehr lange Lieferzeit. Dann musste ich mich langsam daran gewöhnen, insbesondere, dass so ein Rad sehr anfällig für Seitenwind ist, hat mir viele Probleme bereitet. Und auch heute bin ich nicht zu 100% warm geworden mit diesem Rad. Insgesamt war im Bereich Radfahren sehr viel Frust zu bewältigen in den vergangenen Monaten.
Von dem anfänglichen Ziel einen Durchschnitt von 35 km/h zu fahren habe ich mich inzwischen verabschiedet.
Somit ist die Schlüsseldisziplin Radfahren zur Wundertüte geworden. Keine Ahnung ob das wirklich gut geht.
Laufen
Laufen ist die einzige Disziplin, bei der ich das Gefühl habe, dass ich mich deutlich weiterentwickelt habe. Ich bin schneller geworden und längere Distanzen machen mir nicht mehr viel aus.
Ich glaube hier ist der Trainingsplan mehr als aufgegangen. Es liegt aber auch daran, dass Laufschuhe immer irgendwie in die Tasche passen und das Lauftraining einfach unabhängiger von Ort, Reisen und Pendeln ist.
Mir schwant, dass der Marathon am Ende des Ironman allerdings nicht nur eine körperliche Herausforderung wird, sondern mehr und mehr eine mentale. Auch hierauf habe ich mit Hilfe von jemanden, der Ahnung davon hat, etwas vorzubereiten versucht. Ob es etwas gebracht hat werden wir sehen. Vorm Lauf habe ich dennoch die wenigste Angst. Ich weiß, dass es weh tun wird, aber ich weiß auch, dass wenn ich es erst mal auf die Laufstrecke geschafft habe, das Ziel in greifbare Nähe rückt.
In den kommenden zwei Wochen heisst es nun tapern, vernünftig Essen und gesund bleiben. Wenn ich erst einmal den Neo anhabe und an der Alster stehe gibt es keinen Weg zurück.
Ganz viel Dankeschön
An dieser Stelle sage ich schon mal Danke an ein paar Menschen, die den Weg bis hierher mitgegangen sind und dazu beigetragen haben, dass ich überhaupt an die Startlinie gehe. An erster Stelle ist das die Liebste, die auf die wenige Zeit, die wir eh nur gemeinsam haben, oft verzichtet hat, um mir Freiraum für lange Trainingseinheit zu geben. Das kann man kaum noch wieder gut machen.
Dann ist da der Coach Olli Buck, der mich aus vielen Tiefs und Zweifeln wieder herausgeholt hat, der alle zwei Tage wegen plötzlichen beruflichen Terminen den Trainingsplan anpassen musste und sich immer mein Gejammer das neue Fahrrad anhören musste.
Und ein Dank geht auch an Stephan Hütter, der mir sehr viele Tipps für die mentale Vorbereitung gegeben hat.
Tracking
Ich werde immer wieder gefragt, ob man den Ironman Hamburg live verfolgen kann. Ja das geht. Alle Athleten sind über die Ironman Tracking App verfolgbar und auf IRONMAN.com findet man auch einen Livestream zum Profiwettkampf der Frauen. Am aktuellsten kann man meine #roadtoironman auf meinem Kanal bei Instagram verfolgen (@der_stoer).