Meine erste Triathlon-Mitteldistanz: Laufen
Die letzte und wie ich finde härteste Disziplin im Triathlon: Laufen. Auf der Mitteldistanz ist das ein Halbmarathon. Meinen allerersten Halbmarathon hatte ich damals auch in Duisburg absolviert. An dem Tag damals gab es keine Wasserschlacht, nein im Gegenteil, es war eine Hitzeschlacht. Ein Jahr später bin ich mit Unterstützung von Freunden ein Zweites mal über diese Distanz gelaufen, als „Homerun“, weil Corona große Veranstaltungen unmöglich gemacht hatte. Also diese Distanz ist mir durchaus schon etwas vertraut.
Hier beim 70.3 in Duisburg besteht die Strecke aus drei Runden rund um die Regattabahn und das Stadion des MSV Duisburg. Das Besondere: Nach jeder Runde läuft mal einmal durch das Stadion und kann sich von seinem Fanclub bejubeln lassen.
Die erste Runde geht relativ gut. Es hat aufgehört zu regnen, die Füße haben keinerlei Probleme, obwohl sie die letzten Stunden nur im Wasser gestanden haben. Meine Oberschenkel brennen ein wenig und insgesamt hat die Kraft nach 1,9 Km Schwimmen und 90 Km Radfahren deutlich nachgelassen. Ich laufe langsam, aber in gleichbleibendem Tempo. An den Verpflegungsstationen und auch vereinzelt an der Laufstrecke stehen Zuschauer, die einem alles mögliche zurufen. Entlang der Laufstrecke stehen Schilder mit Sprüchen: „You are going to finish a halfironman today!“ oder „Denk einfach daran wie lustig Du morgen beim Gehen aussiehst.“ und natürlich der Klassiker „Der Schmerz geht. Der Stolz bleibt.“
Apropos Schmerz, meine Beine machen sich immer mehr bemerkbar. Nach und nach fühlt es sich so an, als ob aus den Beinen absolut nichts mehr raus zu holen ist. Dann kommt der erste Lauf durchs Station, was unglaublich motivierend ist. Das ist wirklich geil! Auch wenn nur noch ein paar Zuschauer dort sind ist es echt eine coole Stimmung. Und man sieht auf der anderen Seite der Laufbahn wie andere bereits ins Ziel laufen und gefeiert werden. Egal wie man sich bis eben noch gefühlt hat, nach der Runde durchs Stadion fühlt es sich gleich wieder besser an. Leider wirkt dieser Effekt bei mir nur kurz. An der nächsten Verpflegungsstation gehe ich sehr langsam und trinke einen Becher Wasser und einen Becher Iso. Die Helfer klatschen, um mich zu motivieren, das weiterlaufen fällt so unglaublich schwer. Auf dieser zweiten Runde nutze ich jeden Verpflegungsstand, um ein paar Meter zu gehen. Das macht es allerdings nicht besser. Zudem quälen mich Magenkrämpfe. Ich habe beim Radfahren und auch vorm Lauf regelmäßig Riegel und Gel zu mir genommen, um keinen Hungerast zu bekommen. Aber irgendwie scheint meine Ernährungsstrategie nicht aufgegangen zu sein. Ich bin bereits fast sieben Stunden unterwegs, solange habe ich mich noch nie in meinem Leben an einem Stück sportlich betätigt.
Der Gedanke, dass ich ganz schön bekloppt bin sowas zu machen verschwindet, als ich zum zweiten mal durch das Stadion eiere. Das ich dabei ziemlich fertig aussehe, sehe ich an dem Blick der zwei Helferinnen an der Weggabelung zwischen „noch eine weitere Runde“ und „Weg zum Zieleinlauf“. Ich bin mir sicher, die beiden wollen nicht glauben, dass ich noch eine Runde laufe. Ich ehrlich gesagt auch nicht. Die Stimmung im Stadion pusht mich dieses mal so gut wie gar nicht. Vor dem Stadion hatte eben Olli noch versucht mich nochmal zu motivieren und rief mir zu „bring das zu Ende“. Zuendebringen. Mehr wird es nicht mehr. Das wird mir in diesem Moment klar. Es ist einfach keinerlei Energie mehr vorhanden. Alles was mich jetzt noch weiterbringt ist der Wille nach all diesen Mühen definitiv nicht ohne Medaille nach Hause zu fahren. Die Bauchkrämpfe werden immer schlimmer. Ich trabe nur noch vor mich hin. Immer wieder muss ich gehen. Vor mir und hinter mir sind auch Läufer, die sich genau so quälen und auch mehr gehen als Laufen. Die geplante Zeit ist eh dahin. Es geht jetzt wirklich nur noch darum ins Ziel zu kommen, und das möglichst vor dem Besenwagen. Niedergeschlagenheit und der Wille irgendwie noch anzukommen wechseln sich im Minutentakt ab. Helfer unterwegs klopfen mir auf die Schulter. Und die letzten fünf Kilometer kann ich einfach nur noch gehen, hin und wieder kann ich traben.
Ich hadere mit mir. Hat das Training nicht gereicht? Habe ich die Kräfte schon wieder falsch eingeteilt? Warum mache ich das überhaupt? Lohnt sich diese ganze Quälerei wenn man sich eh nur noch ins Ziel schleppen kann? Tausend Gedanken gehen durch den Kopf. Man denkt an die absurdesten Sachen. Und eigentlich möchte man sich einfach nur noch auf die Parkbank setzen und nie wieder aufstehen …. Zusammenfassend kann ich sagen, die letzten sieben Kilometer sind ein auf und ab zwischen „scheiss drauf was solls, hier ist ende Gelände, Arschlecken eisfuffzich“ und „hallo? Du wirst doch wohl jetzt nicht aufgeben und gefälligst ins Ziel laufen!“
Dann kommt er, der letzte Verpflegungsstand. Hier sprechen mir alle nochmal gut zu. „Hinter Dir sind noch mindesten 8 Leute unterwegs, Du bist nicht der letzte“, erfahre ich vom einem Wettkampfrichter. „Der Besenwagen ist noch weit weg, ins Ziel kommst DU noch locker! Also LOS!“ Und ich trabe los.
Ich weiß nicht was das für Kräfte sind, die einen dann tragen, aber sie sind da. Sie tragen mich um die Kurve und dann gehts grade auf das Stadion zu. Am Weg immer noch Leute die klatschen. Sie rufen „Gleich ist es geschafft!“, „Du bist der geilste!“, „Tolle Leistung!“, „Super gekämpft!“. Und dann unter der Tribüne durch auf den IRONMAN-Teppich die letzten hundert Meter zum Ziel … ES. IST. UN-BE-SCHREIB-LICH. Ich kann hier und heute nicht mehr sagen was ich gedacht habe oder was ich genau gefühlt habe. Das was da passiert wenn man das zum ersten mal geschafft hat, lässt sich einfach nicht in Worte fassen. Noch drei vier Schritte … nach 7 Stunden und 55 Minuten laufe ich weit hinter meinen Erwartungen, aber immerhin noch 35 Minuten VOR dem Besenwagen durch den Ironman-70.3-Ziel-Torbogen.
Geschafft!
Man zeigt mir an, dass ich direkt weiter durch zum Nachzielbereich gehen soll. Mir ist zum heulen zumute, kann aber irgendwie noch die Fassung waren. Wegen Corona muss ich mir die Finnischermedaille von einem Tisch nehmen. Ich bekommen noch mein Finnischer-Shirt. Der Gravurstand, der einem die Zielzeit in die Medaille graviert, ist auch noch besetzt. Wortlos reiche ich meine Medaille rüber und bekomme sie eine Minute später auch schon wieder zurück.
1:0 für mich gegen den Besenwagen!
Die Wasserschlacht von Duisburg, Teil 3
Die Wasserschlacht von Duisburg, Teil 2
Die Wasserschlacht von Duisburg, Teil 1